Die EU-Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) zielt darauf ab, nachhaltige und innovativeProdukte zu fördern und setzt einen Marktmechanismus im EU-Binnenmarkt in Gang, der diese Produkte klar bevorzugt. Sie löst die bisherige Ökodesign-Richtlinie(2009/125/EG) ab und erweitert den Geltungsbereich deutlich – etwa aufTextilien, Elektronik und viele weitere Produktgruppen.
Damit sollen nicht nurUmweltwirkungen reduziert, sondern auch faire Wettbewerbsbedingungen fürUnternehmen in der EU geschaffen und globale Nachhaltigkeitsstandardsmitgeprägt werden. In diesem Artikel erfahren Sie, ob Ihre Produkte direkt oderindirekt betroffen sind und welche konkreten Anforderungen an diese Produktegestellt werden.
Derzeitiger Zeitplan der betroffenen Produktkategorien
Derzeit steht schon fest, ab wann dieAnforderungen der Ökodesign-Verordnung für die ersten Endprodukte,Zwischenprodukte und horizontale Anforderungen gelten. In diesem Kontext bezeichnet man als Endprodukte solche Waren, die direkt an Verbraucher:innenverkauft werden – etwa Kleidung, Möbel, Reifen oder Matratzen. Für dieseProduktgruppen legt die ESPR spezifische Ökodesign-Anforderungen fest.Zwischenprodukte sind industrielle Vorprodukte wie Eisen, Stahl oder Aluminium,die in weiteren Herstellungsprozessen verwendet werden. Auch für sie sollenUmweltanforderungen definiert werden, beispielsweise in Bezug auf denCO₂-Fußabdruck oder den Anteil an recyceltem Material.
Horizontale Anforderungen wiederum sindRegeln, die produktübergreifend innerhalb einer Kategorie oder Branche gelten.Ein Beispiel ist die Reparierbarkeit: Statt für jedes einzelne elektronischeGerät eigene Vorschriften zu machen, würde eine horizontale Anforderung zur Reparierbarkeit für alle Elektronikprodukte gelten – also z. B. fürSmartphones, Laptops und Waschmaschinen gleichermaßen. Sie unterscheiden sich damit von vertikalen Anforderungen, die sich nur auf ein spezifisches Produkt beziehen.
Endprodukte:
· 2027: Textilien / Bekleidung
· 2027: Reifen
· 2028: Möbel
· 2029: Matratzen
Zwischenprodukte:
· 2026: Eisen und Stahl
· 2027: Aluminium
Horizontale Anforderungen:
· 2027: Reparierbarkeit (inkl. Reparatur-Score) für Unterhaltungselektronik und kleineHaushaltsgeräte
· 2029: Rezyklatanteil & Recyclingfähigkeit von Elektro- und Elektronikgeräten
Die oben genannten Kategorien werden mit Priorität behandelt und für sie seht der Zeitplan der Einführung bereits fest. Die ESPR gilt perspektivisch jedoch für nahezu alle physischen Produkte, die auf dem EU-Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.Ausnahmen bestehen nur für bestimmte Kategorien wie Lebensmittel oderMedizinprodukte, bei denen Ökodesign-Anforderungen entweder nicht praktikabel sind oder bereits durch andere Regelungen abgedeckt werden.
Welche Produkte auf die erste Welle folgen könnten, sind Reinigungsmittel, Farben und Schmierstoffe. Schuhe wurden zunächst ausgeklammert. Aufgrund ihrer Umweltwirkung läuft jedoch bereits eine Studie, die das Potenzial zur ökologischen Verbesserung vonSchuhen im Rahmen der ESPR untersucht – mit Ergebnissen bis Ende 2027. Chemikalien sind ebenfalls derzeit ausgenommen. Aufgrund ihrer Komplexität wird bis Ende2025 eine Studie gestartet, um zu prüfen, wie sie künftig in die ESPR integriert werden könnten.
Welche Anforderungen folgen für die betroffenen Produkte?
Die ESPR bildet die rechtliche Grundlage für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen – diese werden jedoch je nach Produktkategorie unterschiedlich ausfallen. D.h. jedeProduktkategorie erhält ihre eigenen spezifischen Anforderungen. DieseAnforderungen werden sich an 4 übergeordneten Kategorien orientieren:
Anforderung 1:Produktdesign
Produkte, die auf demEU-Markt bereitgestellt werden, müssen künftig 9 spezifischeÖkodesign-Anforderungen erfüllen.
1. Langlebigkeit und Zuverlässigkeit
2. Wiederverwendbarkeit
3. Aufrüstbarkeit, Reparierbarkeit, Wartung und Aufarbeitung
4. Verzicht auf besorgniserregende Stoffe
5. Energie- und Ressourceneffizienz
6. Rezyklatanteil
7. Wiederaufbereitung und Recyclingfähigkeit
8. CO₂- undUmweltfußabdruck
9. Abfallaufkommen über den Produktlebenszyklus
Diese Vorgaben sollenProdukte nachhaltiger, langlebiger und kreislauffähiger machen. Für dieseKategorien werden sukzessive Grenzwerte gesetzt die sie nicht unter- bzw. überschreiten dürfen.
Anforderung 2: DigitalerProduktpass (DPP)
Der Digitale Produktpass ist ein zentrales Element der ESPR und macht Ökodesign-Vorgaben entlang der gesamten Wertschöpfungskette transparent und umsetzbar. Er enthält relevanteInformationen wie Materialzusammensetzung, CO₂-Fußabdruck, Schadstoffe, Reparatur-und Recyclinghinweise – abrufbar für Unternehmen, Behörden undVerbraucher:innen. Pflicht wird der DPP für fast alle regulierten Produkte, mitAusnahme energiebezogener Produkte, die weiterhin das Energielabel (EPREL)nutzen.
Technische Anforderungen an den Digitalen Produktpass:
- Datenträger (z. B. QR-Code oder NFC-Tag) mit eindeutigerProduktkennung
- Anbringung aufProdukt, Verpackung oder Begleitdokumenten
- StandardisiertesFormat nach ISO/IEC 15459:2015
- Maschinenlesbar & interoperabel
Der DPP verbindet Daten,Prozesse und Akteure – und macht nachhaltige Produkte in der Praxisrealisierbar. Die DPPs werden ein einem zentralen Register der EU zugänglich gemacht. Sie sind dort einsehbar und verifizierbar. Dieses Portal sollVerbraucher:innen, Behörden und Unternehmen bis Juli 2026 zur Verfügung stehen.
Anforderung 3:Abfallvermeidung bei unverkauften Produkten
Die ESPR verpflichtetUnternehmen, transparenter mit dem Umgang unverkaufter Produkte umzugehen undAbfälle zu reduzieren.
Unternehmen müssen künftig öffentlich offenlegen:
- Die Menge an entsorgten unverkauften Verbraucherprodukten
- Die Gründe für deren Entsorgung
- Die eingesetztenEntsorgungsmethoden, gemäß der Abfallhierarchie (z. B. Wiederverwendung vor Vernichtung)
Die Verordnung gibt der EU die Möglichkeit, ein Verbot der Vernichtung unverkaufter Produkte einzuführen.Im aktuellen Arbeitsplan wird davon aber noch kein Gebrauch gemacht – dieKommission wartet zunächst auf Daten aus den neuen Offenlegungspflichten, umkünftige Verbote gezielt begründen zu können.
Anforderung 4: Kriterienfür umweltfreundliche öffentliche Beschaffung
Die ESPR ermöglicht es der EU, verbindliche Mindestanforderungen für die öffentliche Beschaffung festzulegen. Das bedeutet: Öffentliche Stellen wie Behörden könnten verpflichtet werden, besonders umweltfreundliche Produkte zu kaufen – sofern dies wirtschaftlich sinnvoll ist.
Für die im aktuellenArbeitsplan priorisierten Produkte prüft die EU-Kommission, ob neben denÖkodesign-Anforderungen auch Beschaffungskriterien festgelegt werden sollen.
Bei energiebezogenenProdukten ist die öffentliche Beschaffung bereits heute an deren Energieeffizienz gekoppelt – etwa über die Energieverbrauchskennzeichnung oder die Energieeffizienz-Richtlinie.
Fazit für Industrieunternehmen:
Die ESPR und der DigitaleProduktpass markieren einen tiefgreifenden Wandel für Industrieunternehmen in der EU. Sie schaffen klare Rahmenbedingungen für nachhaltige Produktgestaltung, verpflichten zu mehr Transparenz entlang der Lieferkette und setzen neueStandards für die Kreislauffähigkeit von Produkten. Auch wenn derAnwendungszeitraum gestaffelt ist, sollten sich betroffene Unternehmen jetzt auf die kommenden Anforderungen vorbereiten – insbesondere in priorisiertenProduktgruppen wie Textilien, Möbeln oder Metallen.
Der Digitale Produktpass wird dabei zum zentralen Instrument: Er macht Umwelt- und Materialdaten sichtbar und zugänglich – für Behörden, Geschäftspartner und Verbraucher:innen. Unternehmen, die frühzeitig in systematisches Datenmanagement, Ökodesign-Optimierung und digitale Infrastruktur investieren, sichern sich nicht nur regulatorischeKonformität, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil auf einem zunehmend nachhaltigkeitsorientierten Binnenmarkt.
Die ESPR ist kein Compliance-Thema allein – sie ist eine Chance, nachhaltige Industrieprozesse sowieProdukte strategisch weiterzuentwickeln.